, Morell Amadeus

Dreitage-Exkursion Bünder Herrschaft 16.-18. Mai 2022

Bei fast immer prächtigem Wetter durchstreiften 15 Vogelinteressierte die Reblandschaften und das Feuchtgebiet Siechastuden um Jenins, die sehr lichten Eichenwälder mit extensiven Wiesen auf einer Wanderung von Jenins - Rofels ins 'Heidiland' bei Maienfeld sowie dem Bergwald und die Berghänge oberhalb der Bergstation der Älplibahn Malans. Ein Höhepunkt war für viele die Balz der Birkhähne, die sowohl in der Blumenwiese als auch auf Bäumen zu beobachten war. Der Wiedehopf war leider nicht zu sehen doch dies wurde kompensiert durch viele Gartenrotschwänze und ein paar Raritäten wie z.B. ein Brachpieper, eine Turteltaube, ein Purpurreiher. Die gesamte Artenliste umfasste über 60 Arten. Die Landschaften waren einfach bezaubernd wie die Bilder zeigen. (Bitte klicken!)

Hier der ausführliche Bericht mit Bildern und Artenliste als pdf-Dokument zum Download:  Bericht zur Exkursion BündnerHerrschaft_16bis18Mai 2022.pdf

Montag,                16. Mai 2022:

Alle 12 Teilnehmer*innen und die drei Leitenden Copräsidierenden des NVMU fanden sich pünktlich und mit bester Laune im Hotel zur Bündte in Jenins ein, wo wir auch gleich die Zimmer beziehen konnten.Gleich danach gingen wir auf die Pirsch. In den Reben begrüssen uns die Feldspatzen, die das reiche Angebot von Nistkästen nutzen. Die erste Sensation liess nicht lange auf sich warten: In einer Parzelle mit teils offener Erde konnten wir mit etwas Aufwand einen Brachpieper bestimmen. Es ist ein sehr seltener Brutvogel in der CH aus der Rote-Liste, der hier wohl noch auf dem Zug war! Wenig später hörten wir auch das etwas heisere Lachen des Wendehals, einer Charakterart der naturnah, hier oft gar biologisch bewirtschafteten, warmen Rebhänge. Dann wurde die Exkursion doch noch bis nach ‘Siechastuda’ verlängert, da sich auf Mitte Nachmittag eine Gewitterfront ankündigte. Der Name weist darauf hin, dass hier bis 1700 die Aussätzigen in einem Seuchenhaus abgesondert untergebracht waren. Heute ist es ein Pro Natura Naturschutzgebiet und besteht aus mehreren Weihern, einem Bach und ist Auenwald-artig bewaldet mit sehr viel Totholz. Dann, wie aus dem Nichts preschte ein Falke heran und präsentierte sich auf einen Ast. Die dunkle Oberseite, die roten Hosen und der dunkle Bartstreif liessen ihn als Baumfalken identifizieren. Er ist spezialisiert auf die Flugjagd nach Insekten, gelegentlich greift er auch Schwalben u.a. Kleinvögel.Nun mussten wir ein kleines Flüsschen überqueren, was allen trockenen Fusses gelang. In einem kleinen Teich entdeckten wir Gelbbauch-unken, Bergmolche und betrachteten die Larvenhüllen (Exuvien) einer geschlüpften Grosslibelle.Auf dem Bild ist die ausklappbare Unterlippe mit den zangenartigen Greifern zu erkennen. Die roten Kieferzähnchen im Mund sind eben-falls gut zu erkennen. Wehe dem, der einer Libellenlarve zu nahe kommt!Michael begleitete den hungrigen Teil der Gruppe zum Hotel und einem Lunch. Die anderen durchstreifen weiter die Felder auf der Malanser Seite von Siechastuda. In einem nicht gemähten Rebstreifen entdeckten wir ein junges Reh. Auf das sonore ‘uup – uup – uup’ des Wiedehopfs, oder das ‘Zippen’ der Zaunammer lauschten wir allerdings vergebens. Auch die hier auf dem Zug manchmal ruhenden Rotfussfalken, zeigten sich nicht bzw. waren nicht da. Über unseren Köpfen kreisten aber immer wieder Rot- und Schwarzmilane und Turmfalken rüttelten im Flug. Ein Trupp Hohltauben sauste über die Reben zu den schützenden Bäumen. Sie sind eher spärlich verbreitete Brutvögel der offenen baumbestandenen Kulturlandschaft. Sie brüten in Höhlen, oftmals solchen von Schwarzspechten. Im Aussehen ähneln sie stark den Haustauben.Kurz vor der Gewitterfront kamen wir im Hotel an und konnten uns etwas erholen. Wir entschieden uns für ein frühes Abendessen. Auf einer daran anschliessenden Abendexkursion beobachteten wir vor allem die vielen Nester der Mehlschwalben. Auch Mauersegler schossen mit ihren schrillen ‘sri – sri-‘ Rufen durch die Gassen und flogen gar ein Haus mit Lücke zwischen Regenrinne und Dachziegeln an. Am Waldrand lauschten wir den Gesängen von Mönchsgrasmücke, Buchfink und Amsel.

Dienstag,             17.Mai 2022

Auf einer Frühexkursion ab 6 Uhr konnten wir schon bald wieder eine besondere Beobachtung machen. Ein Braunkehlchen sang auf dem Rebpfosten vor sich hin und liess sich von uns bewundern. Vom Dorf her hörten wir den lieblichen kurzen Gesang des Gartenrotschwanzes und bekamen diesen hübschen Vogel in bestem Licht vor unsere Linsen.Nach dem Frühstück unternehmen eine Wanderung von Jenins Richtung Rofels ins ‘Heidiland’ ob Meienfeld. Dabei durchstreiften wir eine strukturreiche naturnahe Landschaft mit Wiesen, Hecken und Feldern. Immer wieder beobachteten wir Turmfalken und den Gartenrotschwanz, der in starkem Mass von den Aufwertungsmassnahmen profitiert hat. Auf den Wiesen blühten Wiesensalbei und Wiesenpippau.Nach der Kaffeepause im ‘Heididorf’ streiften wir durch ein Gebiet mit einem sehr lichten Eichenwald, der stark an die spanischen ‘Dehesas’ erinnert - mächtige Eichen und extensive blumenreiche Weiden dazwischen. Ein Eichelhäher wurde hier seinem Namen gerecht. Unter diesen prächtigen und Schatten spendenden Eichen nahmen wir unseren Mittagslunch ein.  Die zahlreichen Gartenrotschwänze und die herrliche Landschaft vermochten uns darüber hinweg zu trösten, dass wiederum weder Kuckuck noch Wiedehopf zu hören waren und auch andere Vögel sich eher rar machten. Auch in den Reben ob Meienfeld war in der nachmittäglichen Hitze wenig los.So genossen wir Laden des hübschen Städtchens ein kühlendes Glace.  Doch schon an der Busstation war wiederum eine Besonderheit zu entdecken. Eine Turteltaube sass neben ein paar Türkentauben auf einem Metallgerüst. Gut erkennbar ist sie an der orange-braunen und dunkel getupften Flügelfärbung und der hier nicht gut zu erkennenden Halszeichung mit mehreren schwarz-weissen Strichen. Die Turteltaube ist eine Art der Feuchtgebiete und kommt als Brutvogel in der Schweiz eher spärlich vor. Offenbar hat sich auch schon im Feuchtgebiet Siechastuda gebrütet.Nach kurzer Ruhe im Hotel zogen wir nochmals ins Feld.Erst jetzt entdeckten wir auch die Dohlen im Jeninser Kichturm. Auf der Malanser Seite des Rebgeländes, östlich von Siechastuda liess sich eine Heidelerche mit ihrem charakteristisch absteigenden ‘lü la lü la lü’ vernehmen. In Siechastuda bemühten wir uns, die jungen rotköpfigen Blässhühnchen von den Zwergtauchern mit dem steil abfallenden ‘Wuschelfüdli’ zu unterscheiden. Eine Goldammer flog zunächst über uns hinweg und präsentierte sich dann kurz aber prächtig mit dem goldgelben Bauch auf einem Baum. Wir genossen die prächtige Sicht vom Blänkli aus (Bild). Auf dem Rückweg lachte uns wieder der Wendehals entgegen.

Mittwoch,             18. Mai 2022:

Für das Schlafbedürfnis viel zu früh meldet sich der Wecker. Der Kaffee aus der Kaffee-maschine versucht sein bestes und die Freude auf den Tag macht uns dann richtig wach. Jeder erhält statt des Frühstücks ein reichhaltiges Lunchpaket und wir nehmen 05 55 Uhr den Bus zur Aelplibahn-Talstation. In zwei Extrafahrten erreichen wir bald die 1801 m. ü. M. Kaum waren alle da, präsentierte sich eine Ringdrossel (Ringamsel) singend auf einer Tanne. Auf dem Weg weiter hinauf, waren im Wald auch Singdrossel, Misteldrossel sowie Alpen-, Kohl- und Tannenmeisen, dazu Rotkehlchen, Buchfinken und Mönchsgrasmücken zu hören. Der Höhepunkt war dann für alle wohl die Beobachtung der balzenden Birkhähne. Sie werben auf kleiner Fläche – einer ‘Balzarena’ um die Gunst der Weibchen. Diese waren allerdings nicht auszumachen und beobachteten ihre potentiellen Sex-Partner wohl aus sicherem Versteck. Ein Männchen tanzte und hüpfte, zwischen den Blumen herum, öffnete die Flügel und ‘kullerte’ fast unentwegt. Ein anderer Hahn präsentierte sich auf dem Baum und verstärkte sein Kullern mit einer Verneigungsgeste, weitere Hähne zeigten sich an der Grenzlinie zum Horizont – ein wahrlich eindrückliches Spektakel. Michael erläuterte diverse Details zur Biologie dieses Vogels, den er speziell ins Herz geschlossen und in vielen frühmorgendlichen Exkursionen oberhalb von Amden schon oft beobachtet hat. Auf dem weiteren leichten Anstieg kurvten mehrere Bergpieper durch die Lüfte und auch Steinschmätzer liessen sich beobachten. Ganz schön war wie eine Heckenbraunelle ihr feines zartes Liedchen von der Spitze einer Tanne aus zum besten gab. Ein Kuckuck, der auf einem Tannenwipfel sass, wurde von Bergpiepern heftig angegriffen und vertrieben (Bild). Nicht verunderlich – da der Kuckuck als Brutparasit für seine Fortpflanzung unter anderem auch diese Art nutzt oder je nach Sichtweise ‘missbraucht’, wie Georgina dem bequem sitzenden Publikum erkärt, während Michael nach weiteren Arten Ausschau hält. Auch botanisch gabe es einiges zu sehen: Alpensoldanelle, Sumpfdotterblumen, Mehlprimeln, Alpen-Wegerich, buchsblättrige Kreuzblume, ein blau-violettes Kreuzblümchen (evtl. Bittere K.), Frühlings- und andere Enziane, Alpenhelm, Weisse Pestwurz etc. Auf der Terrasse des Restaurants der Bergstation genossen wir die herrliche Aussicht Richtung Landquart und Churer Rheintal sowie das feine Essen des Freiwilligenteams. Beim Essen flogen ein paar Kolkraben vorbei und kurz darauf schraubte sich zuammen mit ein paar Mäusebussarden und einem Segelflugzeug auch ein prächtiger Steinadler in die Höhe. Ein königlicher Abschluss des offiziellen Programms. So blieb als letzte Aufgabe, die allbekannte Artenliste als Erinnerung an die vielen Beobachtugen zu machen. Insgesamt konnten wir zusammen 62 Vogelarten beobachten und erkennen (inkl. Nachexkursion). Die überarbeitete Artenliste ist im Anhang aufgeführt.  

Nachexkursion: Am 'Nachspann' waren dann noch 6 Unentwegte mit dabei. Zum Glück wehte in der Hitze der Talsohle ein angenehmer Wind, doch wir mieden das offene Gelände und suchten immer wieder Schattenplätze. Noch im Wald entdeckten wir eine braune d.h. chlorophylllose Pflanze, die sich als Vogelnestwurz bestimmen liess. Diese Art, wie auch die ähnlich aussehenden Sommerwurzarten, lebt parasitisch von anderen Pflanzen, die sie mit ihren Wurzeln ‘anzapfen’ und ihnen zuckerhaltige Nährstoffe entziehen und so auf eine eigene Fotosynthese verzichten. Auf dem Feld suchten wir leider wieder vergeblich nach Wiedehopf, Wendehals oder Rotfussfalken. Doch da zeigte sich auf einem Pfosten ein Neuntöterweibchen, deutich grösser und kräfiger als die oft zu sehenden Feldspatzen. Wir konnten ihre Fangflüge von der Warte aus gut beobachten. Neuntöter fressen vorwiegend Grossinsekten und spiessen ihre Nahrung manchmal an den Dornen von Sträuchern auf – wohl eine Nahrungsreserve. In Siechastuda genossen wir längere Zeit die Beschaulichkeit, Ruhe und Schönheit des Ortes bis dann zunächst ein Graureiher auftauchte und etwas später gar ein Purpurreiher nicht weit von uns aufflog und im Gewirr der toten Baumstämme verschwand. Zudem rief ein Schwarzspechtweibchen. Jetzt waren alle wieder im ‘Beobachtungs-Modus’. Kurz danach konnten wir längere Zeit einer Paarung von Blindschleichen zuschauen, die mit Bissen in den Rumpf und heftigen Ringkämpfen einhergeht. Dort stiess dann auch die Gruppe von Manuela Seifert auf uns. Sie mussten aber bald wieder weiter nach Maienfeld zu einer Weinprobe. Unsere Langsamkeit, Ruhe und Geduld, gepaart mit untentwegter Beobachtungsfreude wurde kurz darauf belohnt.  Der vorher aufgeflogene Purpurreiher wurde von Rosmaries ‘Sperberaugen’ trotz guter Tarnung entdeckt und präsentierte sich wunderschön (Bild). Auf dem Rückweg hörten wir bei einer Obstplantage noch einen Spötter (Orpheus- oder Gelbspötter eher kein Sumpfrohrsänger, da zu wenig repetitive Rohrsängerelemente vorhanden waren).     Mit einem Schlusstrunk im Hotel ging nach 12 Stunden auch unser Exkursionsprogramm zu Ende - verschwitzt, müde und zufrieden. Zum Schluss noch die beiliegende Tafel in Jenins zum ‘Alter’. In diesem Sinne wünsche ich euch allen gute Gesundheit und viele weitere schöne Exkursionen und Erlebnisse in der Natur, vielleicht wieder mit dem NVMU.

Danke! Amadeus, Michael und Georgina

Total 62 Arten (der Gelb- oder Orpheus-Spötter nicht gezählt)